Identität
Shownotes
Martin Neumann war kein Kämpfer auf der Straße, sondern ein leiser Widerstandskämpfer mit Feder und Sprache. In Zeiten von Verboten und Repression bewahrte er als sorbischer Künstler die Kultur und Geschichte seines Volkes. Sein Leben erzählt von Mut, Identität und dem ungebrochenen Willen, eine bedrohte Gemeinschaft lebendig zu halten. Eine Folge über die Kraft der Sprache und die Bedeutung kultureller Selbstbehauptung.
Gedenkstätte Bautzen: www.gedenkstaette-bautzen.de Stiftung Sächsische Gedenkstätten: www.stsg.de
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00:00:00: Herzlich Willkommen zu unserem Podcast Last in Bodischin.
00:00:03: Ich bin Vincent
00:00:04: und ich bin Emma.
00:00:05: In unserem Podcast sprechen wir über die Bautzener Gefängnisse und die Schicksale einzelner Heftlinge.
00:00:12: Noch ein ganz kleiner Disclaimer von uns.
00:00:14: Unsere Geschichten basieren ganz oft auf persönlichen Erzählungen von den Betroffenen und nicht immer aus historisch-neutraler Literatur.
00:00:22: Ja, willkommen.
00:00:23: Wir sind's wieder.
00:00:24: Eigentlich haben wir unsere Podcast-Reihe schon abgeschlossen.
00:00:28: Wir haben ja schon über NS, SPZ und DDR erzählt.
00:00:33: Jetzt stehen wir ganz kurz verändere unseres FSJs.
00:00:36: und jetzt ist uns noch etwas aufgefallen.
00:00:38: Und zwar heißt unser Podcast ja Lost in Budisin und wie wir auch schon erklärt haben, ist Budisin das sorgische Wort für Bautzen.
00:00:46: Und wir fänden es schade, wenn wir das nicht noch hier irgendwie mit reinbringen würden.
00:00:51: Also wir wollen euch einfach ein bisschen was... über das Sorbische in der Operlausitz erzählen, ein bisschen was mitgeben.
00:00:58: Und ja, dafür haben wir uns ein Feier rausgesucht von einem Sorben aus den Bautzener Gefängnissen.
00:01:05: Genau, dieser Sorbe heißt nämlich Martin Neumann und der hätte am tretzehnten Sechsten sein hundertzwanzigjährigen Geburtstag gefeiert.
00:01:15: Und da dachten wir, das passt doch gleich.
00:01:17: Der hat nämlich auch eine coole Hintergrundgeschichte und Ich würde sagen, dann fangen wir direkt damit an.
00:01:39: Geboren in einem kleinen Lausitzer Dorf Nechern, aufgewachsen in einer saubischen Bauernfamilie, war sein Weg früh durch Sprache und Herkunft vorgezeichnet.
00:01:49: Die Welt, in der er lebte, war zweisprachig, bäuerlich, arm, aber voller Geschichten.
00:01:55: und Geschichten wollte er bewahren.
00:01:58: Er studierte in Prag, Warschau Berlin, lernte Sprachen, laslavische Literatur, vertiefte sich in Volkskunde und Kunst.
00:02:07: Doch anders als viele, die ihr Glück in der Stadt suchten, kehrte er zurück in die Lausitz zu den Dörfern, den Mythen, dem Widerstand im Alltäglichen.
00:02:17: Er schrieb Gedichte, Theaterstücke, Essays, übersetzte bekannte Autoren ins Sorbische, illustrierte Kinderbücher, karikatierte Macht, portraitierte Menschen.
00:02:28: Seine Feder war scharf, seine Haltung war klar.
00:02:31: Er glaubte an das Recht der Sorben, als eigenständiges Volk zu leben, in ihrer Sprache mit ihrer Geschichte auf ihrem Boden.
00:02:38: Dann kamen die Nationalsozialisten mit der Gleichschaltung.
00:02:44: Alles Slavische galt als fremd, verdächtig, zersetzend.
00:02:48: Sorbische Zeitungen wurden verboten, Vereine aufgelöst, Bücher beschlagnahmt und Martin erschwieg nicht.
00:02:56: Er veröffentlichte weiterhin, zeichnete, schrieb unter Pseudonym.
00:03:01: Organisierte heimlich Treffen, sammelte Lieder.
00:03:04: Geschichten, Dokumente.
00:03:06: Als er in der Serbsgenovine, eine sorgische Zeitung, die deutsche Sprache mit dem Quarken von Fröschen vergleicht, kommt der Ende April, in Schutzhaft.
00:03:17: Bautzen, kalte Wände, ständige Überwachung.
00:03:20: kein Papier, kein Stift, zumindest offiziell, doch irgendwie gelang es, ihm kleine Zeichnungen zu fertigen, Notizen, Fragmente, sorgische Wörter kragellig in die Ecke gekritzelt, vielleicht um nicht zu vergessen, wie sie klang.
00:03:36: Er war kein Märtyrer, aber einer, der blieb, der sich nicht verbiegen ließ, auch nach der Haft, auch unter Aussicht, auch als er erneut Publikationsverbot erhielt.
00:03:48: Sein Lebenswerk war Widerstand.
00:03:50: in Bildern, in Sprache, im Festhalten einer Identität, die ausradiert werden sollte.
00:03:56: Nach dem Krieg wurde er gefeiert, als Volkskünstler, als Brückenbauer zwischen deutscher und slavischer Kultur.
00:04:03: Doch sein Verhältnis zur neuen Ordnung liebt zwiespältig.
00:04:08: Er stand für die Eigenständigkeit der Sorben und trug zugleich den Aufbau des sozialistischen Staates mit.
00:04:14: Die DDR ernte ihn dafür, aber seine geistige Unabhängigkeit, die er sich nicht nehmen.
00:04:20: In seinen Texten liegt ein leiser Zweifel, eine tiefe Verletzlichkeit und das Wissen darum, was Freiheit kostet.
00:04:28: In seinen letzten Jahren lebt er zurückgezogen in Nechern, in jedem kleinen Haus, das heute sein Museum ist.
00:04:35: Ein Ort voller Manuskripte, Zeichnungen, Briefe, ein Ort des Erinnerns und es staunt darüber, was einer mit einem Stift, mit einer Sprache, mit einem unbeugsamen Willen bewirken kann.
00:04:47: Denn Martin Neumann führte keine Schlachten, aber er bewahrte eine Welt, die zu verschwinden drohte.
00:04:54: Ja, also, das war die Geschichte von Martin Neumann.
00:04:58: Genau.
00:04:59: Martin Neumann oder auch Marcin Nowak-Nyaconski.
00:05:04: Ob das jetzt richtig ausgesprochen war oder nicht, dass ... ja, überlassen wir den Experten.
00:05:10: Genau.
00:05:11: Wir sind ja leider der sobesche Sprache nicht mächtig.
00:05:15: Ja, also ... Deswegen, wir haben auch jetzt in der Geschichte deswegen auch immer den deutschen Namen genommen.
00:05:21: Obwohl ja Märcin oder Martin eben den Sorbischen Namen präferierte, weil das eben seine sorbische Identität auch widerspiegelte.
00:05:32: Und deswegen sollte das jetzt auch gar nicht irgendwie despektierlich sein oder etwas in die Richtung, weil wir jetzt den deutschen Namen da eben verwendet haben, sondern es war einfach... Wir wollten den jetzt nicht immer falsch aussprechen.
00:05:46: Falls wir das jetzt getan haben, tut es uns leid.
00:05:48: Aber genau.
00:05:50: Ja, und du hast ja gerade schon was ganz Wichtiges angesprochen, und zwar die sorgische Identität.
00:05:55: Und um die soll es ja heute jetzt auch ein bisschen gehen.
00:05:59: Wenn man jetzt, vor allem wenn man jetzt nicht aus der Oberlausitz kommt, dann weiß man ja eigentlich so gut wie gar nichts darüber.
00:06:06: Ja, also ich bin ja hier auch aufgewachsen in der Oberlausitz und ... Selbst ich, ich bin hier zur Schule gegangen, ich hab genug Zeit in Bautzen auch verbracht, und klar kriegt man das immer mal wieder mit, aber zum Beispiel, ich hab in der Schule nie ein Wort saubisch gelernt.
00:06:20: Also, das ist echt auch eine Kultur, die verschwindet.
00:06:25: Ja.
00:06:26: Was ich krass finde, weil wenn man hier hinkommt, wenn man hier ankommt, würde man ja eher vom Gegenteil ausgehen.
00:06:31: Also, dass viel mehr Leute das verstehen und sprechen.
00:06:34: Dadurch, dass auch, also Bahnhof ist alles zweisprachig, du kommst raus, die Straßenstelle, das sind zweisprachig.
00:06:39: Fähre ich ganz kurz, was zu der sowaschen Sprache ist, eine slavische Sprache.
00:06:44: Also es ist sehr ähnlich zu polnisch oder tschechisch zum Beispiel.
00:06:47: Das ist natürlich nicht dasselbe eigene Sprache, aber man sieht da die Ähnlichkeit.
00:06:51: Ja, also es klingt schon ähnlich so vom Sprachbild auf jeden Fall.
00:06:55: Ja, genau.
00:06:57: Und ansonsten Tradition, also habe ich jetzt, Ostern war ich ja leider zu Hause und nicht hier, aber da kriegt man ja auch mal so ein bisschen was von mit, was ja... eigentlich sorgische Kultur ist, was aber auch so ein bisschen bautzener Kultur dann ist, habe ich das Gefühl?
00:07:14: Ja, auf jeden Fall.
00:07:14: Also eigentlich ist ja Bautzen gar nicht vom sorgischen zu trennen.
00:07:20: Also gerade ja zur Osterzeit, wie du schon gesagt hast, gibt es ja das Osterreiten in ganz vielen Dörfern, aber ja ja auch rund um Bautzen.
00:07:29: Genauso wie das Eierfermen.
00:07:31: Es gibt ja auch in Bautzen ein sorgisches Museum.
00:07:35: Aber ja, es ist eben... nicht so präsent wie man denken würde.
00:07:40: Ja, also die Sommen sind ja auch eine christliche Gruppe.
00:07:44: Die meisten sind katholisch.
00:07:45: Das finde ich noch so als Fakt über sie und die gibt es auch schon wirklich lange.
00:07:51: Ja,
00:07:53: aber obwohl das ja auch verschwindet oder diese Also, ich glaube, diese Wichtigkeit in den Augen von den meisten Menschen, also dieser Kultur, diese Wichtigkeit von der Kultur eben abnimmt, gibt es eben trotzdem noch zum Beispiel diese Serbskinovignie, also diese Zeitung, in der ja auch Martin Neumann oder Märcin über das, die deutsche Sprache mit dem Quaken von Fröschen
00:08:23: vergleicht
00:08:24: oder verglich.
00:08:25: Genau.
00:08:27: Deswegen würde ich vielleicht einfach nochmal über seine allgemeine Geschichte reden.
00:08:33: Also sie erinnert ja schon krass auch an die Geschichte von Marich Showa.
00:08:37: Ja, auf jeden Fall.
00:08:39: Also mit diesem Entzeitungen und Satire und gegen das NS-Regime sozusagen.
00:08:46: Erinnert schon sehr stark daran, dass es uns auch bewusst auf jeden Fall.
00:08:51: Aber... Unser Ziel war es ja nicht, die Zeit des NS-Regimes abzudecken, sondern wirklich über das Zauberste zu sprechen.
00:09:01: Weil ich oder Bia glauben auch, dass das im Interesse von Martin Neumann oder von Mergin gelegen hätte.
00:09:10: Weil das war ja auch so ein bisschen sein
00:09:12: Ziel.
00:09:12: Sein Bewillgrund einfach, ja.
00:09:16: Und deswegen, ich würde jetzt gar nicht so lang mehr ... Darüber sprechen, sondern uns dabei belassen.
00:09:22: Vielleicht nochmal, gerade wegen dem hundertfünfundzwanzigjährigen Geburtstag, könnt ihr gerne in das Geburtshaus von Martin Neumann kommen, das Sorbische Museum besuchen, natürlich auch die Gedenkstätte Bautzen.
00:09:36: Ja,
00:09:37: und es gibt auch noch andere gute, also es gibt auch noch ein sehr gutes Restaurant in Sorbischis, es gibt das Sorbische Ensemble noch in Bautzen.
00:09:46: Also ein bisschen, was ist auf jeden Fall noch da und vertreten, was man sich gut angucken kann.
00:09:49: Auf jeden
00:09:49: Fall.
00:09:49: Und was auch echt, echt cool ist.
00:09:53: Genau.
00:09:55: Das war unsere kleine Special Folge, die war jetzt auch nicht lang oder die war auch nicht so wie die anderen.
00:10:01: Aber das war uns einfach noch mal wichtig, hier drauf aufmerksam zu machen, ein bisschen was zu erzählen, weil das gehört halt auch einfach zu bautzen.
00:10:08: Diese Identität und diese Geschichten.
00:10:13: Das war es von uns jetzt.
00:10:15: Unser Effekt ist jetzt auch vorbei.
00:10:16: Genau.
00:10:17: Deswegen hören wir uns hier wahrscheinlich zum letzten Mal.
00:10:20: Ja.
00:10:21: Und genau.
00:10:23: Wir hoffen, euch hat das gefallen, was wir hier als Projekt aufgestellt haben.
00:10:28: Und
00:10:29: ja, bis dann.
00:10:30: Bis dann.
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