Leben in 3 Akten

Shownotes

Die unglaubliche Lebensgeschichte von Jochen Stern – von der Kindheit im Krieg über die harte Haft im sowjetischen Speziallager Bautzen bis hin zum Durchbruch als gefeierter Schauspieler. Er wächst in den Wirren der 1930er-Jahre auf und erlebt den Krieg als Jugendlicher an der Front. Es folgen schwere Gefängnisjahre und dennoch bewahrt er seinen Humor und seine Liebe zum Theater. Nach seiner Freilassung startet er eine bemerkenswerte Karriere, die ihn bis ins Herz des deutschen Fernsehens bringt.

Gedenkstätte Bautzen: www.gedenkstaette-bautzen.de Stiftung Sächsische Gedenkstätten: www.stsg.de

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00:00:00: Herzlich Willkommen zu unserem Podcast Last in Bodischin.

00:00:03: Ich bin Vincent

00:00:04: und ich bin Emma.

00:00:05: In unserem Podcast sprechen wir über die Bautzener Gefängnisse und die Schicksale einzelner Heftlinge.

00:00:11: Noch ein ganz kleiner Disclaimer von uns.

00:00:14: Unsere Geschichten basieren ganz oft auf persönlichen Erzählungen von den Betroffenen und nicht immer aus historisch-neutraler Literatur.

00:00:22: Also Vincent, was hast du hier heute mitgebracht?

00:00:25: Ja, ich habe heute eine DVD mitgebracht.

00:00:27: Mhm, von welchem Film?

00:00:29: Ja, gut, bei Lenin.

00:00:30: Kennst du den Film

00:00:31: immer?

00:00:32: Ja, also, ich hab's schon mal gehört.

00:00:33: Ich hab den aber leider noch nicht, also selber noch nicht geguckt.

00:00:37: Aber du hast ihn schon geguckt, kannst du mal kurz erzählen, worum es daran geht?

00:00:40: Ja,

00:00:41: grob gesagt, ist halt ne Mutter, die ins Koma fällt und dabei ihr Gedächtnis verliert.

00:00:47: Und während sie im Koma liegt, passiert die Wende.

00:00:51: Und der Sohn muss dann alles dafür geben, dass die gesamte Familie muss alles dafür geben, dass die Mutter noch denkt, dass sie in der DDR lebt, obwohl sie jetzt halt in der BRD lebt.

00:01:03: Es ist auch so ein satire Film, glaube ich.

00:01:04: Ja, auf jeden Fall.

00:01:06: Das habe ich schon mal gehört.

00:01:07: Aber um den Film selber soll es ja jetzt heute nicht gehen, sondern da spielt jemand mit, den wir kennen.

00:01:13: Ja, Jochen Stern.

00:01:14: Und also ich war erst mal, als ich den das erste Mal in dem Film gesehen habe, ein bisschen überrascht, weil du rechnest ja nicht.

00:01:20: damit, wenn man jemand so aus einem anderen Kontext kennt, dass er dann halt einfach damit spielt in so einem Film.

00:01:28: Ja, genau.

00:01:28: Wir kennen nämlich Jochen Stern sogar persönlich.

00:01:31: Wir konnten schon mit ihm brechen.

00:01:33: Und jetzt auch in den letzten Wochen und Monaten haben wir uns immer mal mit seiner Geschichte befasst, viel zu ihm gelesen und dachten, das passt eigentlich voll gut in so eine Podcastfolge.

00:01:44: Weil diese ganze Biografie von ihm auch total spannend und vielfältig ist.

00:01:49: Genau, und deswegen haben wir den heute mitgebracht.

00:01:52: Also seine Geschichte, ihn ist aber jetzt nicht immer.

00:01:55: Ja, ich bin gespannt.

00:01:56: Ja, ich würde sagen, wir erzählen erst mal und quatschen dann drüber.

00:02:02: Jochen Stern wird im September, in Frankfurt, in der Oder geboren.

00:02:07: In eine Zeit der Umbrüche und Spannungen.

00:02:10: Er wächst in Mannschaft auf, einem kleinen Ort nahe der Stadt.

00:02:14: Die Kindheit ist geprägt von liebevollen Eltern.

00:02:17: Unüblich für die Zeit erziehen sie ihn ohne Gewalt, mit Geduld und Verständnis.

00:02:22: Doch der Frieden dieser frühen Jahre wird bald vom Schatten der Geschichte überrollt.

00:02:27: Da wo Jochen aufwächst, ist wie überall im deutschen Reich, neunzehntreiunddreißig nur ein Bruchteil der Bevölkerung weniger als ein Prozent jüdischen Glaubens.

00:02:37: Doch obwohl es nur wenige Jüdinnen und Juden gibt, ist der Antisemitismus allgegenwärtig.

00:02:42: Besonders brutal zeigt sich das im November achtunddreißig.

00:02:46: In der sogenannten Reichsprogromnacht wüten im gesamten deutschen Reich SA-Leute, Parteifunktionäre und Zivilistinnen.

00:02:54: Synagogen brennen, Schaufenste zersplittern, Wohnungen und Geschäfte werden verwüstet.

00:03:00: Jochen ist damals zehn Jahre alt.

00:03:02: Am Morgen nach der Progromnacht entdeckte etwas, das sich tief in sein Gedächtnis einbrennt.

00:03:08: Ein Reklamschild seines Vaters Fritz Stern, ein Versicherungsagent, wurde beschädigt.

00:03:15: Unbekannte haben in kindischer, aber perfide Art Karikaturen von sogenannten Judennasen geklebt.

00:03:22: Jochen steht nur wenige Meter entfernt.

00:03:25: Niemand erklärt ihm, was das bedeuten soll.

00:03:28: Dort das Zeichen ist deutlich.

00:03:30: Der Name Stern, auch unter jüdischen Familien weitverbreitet, genügt manchen, um Verdächtigungen zu äußern, Gerüchte zu streuen.

00:03:39: Die Andeutung, die Angst, die Diffusedrohung.

00:03:42: All das liegt nun plötzlich in der Luft.

00:03:44: Jochen begreift zum ersten Mal, wie schnell ein Mensch zur Zielscheibe gemacht werden kann und wie still die Welt dabei zusieht.

00:03:52: Im Herbst, neunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunzehneunze.

00:04:15: Doch in der Schule beginnt man, die Feldzüge auf den Karten zu verfolgen, wie ein makaberes Unterrichtsfach.

00:04:24: Jochen tanzt oft aus der Reihe und erhält lieber seine Kameraden, als sich unterzuordnen.

00:04:46: Einmal wird er sogar mit Hausarrest belegt und nach Hause geschickt.

00:04:49: Der junge Jochen hat Humor, Fantasie, aber auch einen ausgeprägten Sinn für Freiheit.

00:04:55: Anfang nineteenhundvierzig, erst noch nicht einmal sechzehn, wird Jochen als Luftwaffenhelfer eingezogen.

00:05:02: Später wird er als verwendungsfähig eingestuft, ein Flagg-V-Soldat, bereit für den Endkampf in Berlin.

00:05:09: In Moabit.

00:05:10: Er lebte den Untergang des Dritten Reiches hautnah.

00:05:13: Nächtevolle Artilleriefeuer, Kämpfe in den Straßen, der Lärm ist ordentlich betäubend.

00:05:18: Doch plötzlich, Anfang Mai, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May,

00:05:28: May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, May, Eine Geste der Menschlichkeit in einer Welt, die in Schutt und Asche liegt.

00:05:40: Danach sagt ihm sein Batteriechef nur noch, Versuch nach Hause zu kommen.

00:05:44: Alles Gute.

00:05:45: Jochen macht sich auf den Weg, zu Fuß mit durchgelaufenen Schuhen Richtung Magdeburg, zu seiner Mutter und seinen Großeltern.

00:05:53: Als er nach einiger Zeit mit seiner Mutter wieder nach Frankfurt oder kommt, ist dieses kaum wieder zu erkennen.

00:06:04: In nur acht Monaten wird er darauf vorbereitet, selbst eine Schulklasse zu übernehmen.

00:06:09: Mit gerade einmal siebzen Jahren steht er vor einer sechsten Klasse und unterrichtet Deutsch, Mathe und Erdkunde.

00:06:17: Geschichte darf er nicht unterrichten.

00:06:18: Er ist keiner sozialistischen Partei beigetreten.

00:06:21: Denn Jochen denkt selbst.

00:06:23: Während viele junge Lehrer sich schnell der SED anschließen, entscheidet er sich nach langer Überlegung für die LDPD.

00:06:31: Eine Partei, die für ihn als ideologiefrei gilt.

00:06:34: Damit macht er sich nicht nur Freunde.

00:06:36: Sein Lehrer ist entsetzt, hatte ihn in der SED gesehen.

00:06:40: Doch Jochen bleibt standhaft.

00:06:42: Neben dem Unterricht gründet er eine Leinspielgruppe, der FDJ.

00:06:46: Theater, wie schon in der Kindheit, ist für ihn mehr als ein Hobby.

00:06:50: Es ist Ausdruck, Freiheit, Leben.

00:06:53: Er schreibt Stücke.

00:06:54: Für die Regie spielt mit Leidenschaft.

00:06:57: Als Frankfurt Ein Theater eröffnet, bekommt Jochen Unterricht, bei ihm Intendanten.

00:07:01: Die Schauspielkarriere scheint in greifbarer Nähe.

00:07:06: Doch dann, plötzlich, wird sein Leben erneut aus den Angeln gerissen.

00:07:11: Eines Morgens, Jochen schläft noch, stürmt ein Sowettscher Soldat durch die Gartendaube seiner Wohnung, reißt die Tür auf, zählt mit einer Pistole auf ihn und schreit Rucki Werch!

00:07:21: Hände hoch!

00:07:22: Jochen begreift erst nach Sekunden, was geschieht.

00:07:24: Er wird verhaftet.

00:07:26: Diese wärtschen Offiziere durchsuchen die Wohnung, finden ein Tagebuch sogar ein russisches Buch und nehmen ihn mit.

00:07:32: Seine Großmutter ruft verzweifelt, lasst meinen Enkel hier, doch Jochen wird verschleppt.

00:07:37: In Potsdam, Lindenstraße fifty-fünfzig, einem ehemaligen Gefängnis, wird er verhört.

00:07:44: Der Vorwurf?

00:07:45: Spionage.

00:07:46: Die Zelle ist kalt, die Behandlung brutal.

00:07:49: Nach Wochen der Ungewissheit und den zweiten Tribunal steht das Urteil.

00:07:53: Fünfundzwanzig Jahre, Zwangsarbeit und Erziehungslager.

00:07:57: Er wird in einem überfüllten Transportwagon gesetzt, Ziel bautzen.

00:08:01: Das Gefängnis ist gefürchtet.

00:08:03: Jochen wird in ein Saal mit Vierhundert Heftlingen gesteckt, ein Raum voller Männer, vom Professor bis zum Analfer beten.

00:08:11: Trotz der Enge und des Mangels entsteht Gemeinschaft.

00:08:15: Es wird diskutiert, unterrichtet, sogar Theater gespielt.

00:08:18: Jochen bringt Shakespeare-Stücke in Erinnerung, recitiert Monologe, spielt Zehn.

00:08:24: Das Theater gibt ihm Halt.

00:08:26: Schon während der sowjetischen Führung ist das Leben im Gefängnis hart.

00:08:29: Die sogenannten Spezialager, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone von den Sowjets errichtet wurden, wurden oft sehr schlecht geführt mit Zwangsarbeit und schlechten Bedingungen.

00:08:40: Doch auch mit der Übergabe des Gefängnis an die Deutschen im Februar neunzehntfünfzig verbessern sich die Haftbedingungen nicht, sondern verschlechtern sich sogar teilweise.

00:08:51: Als die Häftlinge im März neunzehntfünfzig das Essen verweigern, beginnt ein Aufstand.

00:08:57: Sie schreien aus den Fenstern, wir sind unschuldig, wir rufen die UNO.

00:09:01: Die Antwort folgt prompt.

00:09:03: Volkspolizisten stürmen die Seele, schlagen mit Gummiknüppeln auf die Männer ein.

00:09:08: Blut fließt.

00:09:10: Einer, der Wächter, genannt Hundeschulze, hetzt sogar sein Schäferhund durch die Reihen und brüllt, haut sie immer auf die Köppe!

00:09:18: Doch der Protest zeigt Wirkung und überraschender Weise verbessert sich das Leben im Gefängnis.

00:09:24: Die Häftlinge dürfen Briefe schreiben, erhalten Zeitungen, das Essen wird besser.

00:09:28: Jochen arbeitet fortan in der Gefängnisschneiderei.

00:09:32: Er näht Uniform, FTJ-Bluesen, sogar Mäntel für russische Soldaten.

00:09:37: Vier Zigaretten am Tag und ein Stück Brotmeer.

00:09:40: Das ist der neue Alltag.

00:09:41: Und irgendwann mehren sich die Zeichen, dass eine Entlassungswelle bevorsteht.

00:09:46: Anfang hier wird Jochen schließlich zum Vernehmungsoffizier gerufen.

00:09:52: Man bestätigt ihm, dass er wegen Spionage verurteilt wurde.

00:09:55: Nun aber entlassen werde.

00:09:57: Doch sein Name fehlt zunächst auf der Liste.

00:10:00: Erst Tage später wird er als Teil eines Westtransports genannt.

00:10:04: Gemeinsam mit anderen politischen Heftlingen wird er nach Eisen nachgebracht.

00:10:09: Übernachtet dort überquert schließlich die Grenze nach Westdeutschland.

00:10:13: Jochum entscheidet sich sein Abitur nachzuholen in einer Sonderschule für ehemalige Heftlinge.

00:10:18: Danach beginnt er in Jurastudium.

00:10:20: In Göttingen lernt er seine Frau kennen.

00:10:22: Ninezundat sieben Fünfzig heiraten sie und danach endlich beginnt das Leben das er sich immer erträumt hatte.

00:10:30: Er wird Schauspieler.

00:10:31: Zunächst spielt er auf kleinen Bühnen.

00:10:33: Später folgen Fernsehrollen, Filmproduktion.

00:10:37: In der Serie Ein Herz und eine Sede wird er als Herr Koslowski bundesweit bekannt.

00:10:42: Doch Jochen bleibt vor allem dem Theater treu.

00:10:45: Fünf Jahre lang ist der festes Ensemble-Mitglied in Baden-Baden.

00:10:50: Noch im hohen Alter steht er auf der Bühne.

00:10:52: Nie verbittert, nie zynisch, sondern dankbar für ein Leben, das trotz allem nie gebrochen wurde.

00:10:59: So.

00:11:00: Jetzt haben wir zu Ende erzählt und heute ging es ja hier ums Spezialager bzw.

00:11:07: wir haben versucht, die Zeit der sowjetischen Besatzung des Spezialagers abzudecken, was ich persönlich fast noch mit am schwierigsten finde eigentlich.

00:11:18: Ja, weil man muss ja sagen, dass diese Zeit von wirklich sowjetischer Kriegsende dann sowjetische Besatzung und dann erst DDR.

00:11:29: Das ist ja irgendwie so eine ganz komische Zeit, wo sich so ein Staat bilden muss.

00:11:34: Und

00:11:35: ja, also ich fand das, man ist halt irgendwie so, man hat da noch nicht so richtig.

00:11:40: was Festes, wo du sagst ja so und so läuft das dann, du hast die DDR quasi dann, sondern du hast halt nur diese sowjetische Besatzung, die irgendwie nicht so richtig.

00:11:53: Klar ist, wie das alles läuft und so.

00:11:55: Ja,

00:11:56: richtig.

00:11:57: Also ich fand auch bei NS und bei DDR die Regeln oder das Konzept, ich mach jetzt hier gerade Gänsefüßchen, die sind dann schon ein bisschen klarer auch gewesen.

00:12:12: Aber jetzt wollen wir uns ein bisschen unterhalten, ein bisschen drüber quatschen und ich würde sagen, wir fangen direkt beim Urteil an.

00:12:18: Also, ja.

00:12:19: – Ja.

00:12:19: – Fünfundzwanzig Jahre Zwangsarbeit und Erziehungslager.

00:12:23: Finde ich schon heftig.

00:12:24: Also, ich finde das auch verrückt.

00:12:26: Also, man muss sich ja überlegen, wir beide sind neunzehnt.

00:12:28: Er war zu dem Zeitpunkt, als er verurteilt wurde, auch neunzehnt.

00:12:33: Und du musst ja aber vorstellen, du hast jetzt so ein Lebensabschnitt quasi gelebt.

00:12:38: Und dann sollst du für den nächsten einfach ins Gefängnis gehen und nicht mehr rauskommen und ja, einfach einsitzen, was ich ... Also, das kann man sich ja gar nicht vorstellen.

00:12:48: Du hast ja auch dann, also grad, wie er dann Lehrer geworden ist und so, hat sich ja dann auch Pläne gemacht.

00:12:54: Und dann, dass einfach alles so verworfen wird und du halt die nächste Zeit einfach nur im Gefängnis sitzen sollst, find ich völlig krank.

00:13:02: Ja, und vor allem, also erst mal diese twenty-fünf Jahre in dem Interview, was wir uns angeschaut haben, hat er ja auch gesagt, das war noch ein mildes Urteil.

00:13:11: Ja.

00:13:12: Und zu diesem ... Du hast jetzt so ein Abstand gelebt, jetzt kommt der nächste im Gefängnis.

00:13:17: Was ich auch noch wichtig zu erwähnen finde, ist, er hat ja sein Leben noch gar nicht richtig gelebt.

00:13:21: Also klar, dieses Okay, Schauspiel ist irgendwie mein Ding.

00:13:25: Das war ja für ihn schon klar und er hat irgendwie immer versucht, das mit einzubauen.

00:13:29: Aber ich meine Kinderlandsverschickung war ja jetzt auch vielleicht durch der Größe Traum, den man hat.

00:13:35: Da wurde ja schon viel mit Drill und Disziplin gearbeitet.

00:13:39: Und dann ... wird er ja mit Nichtmalsechzehn als Soldat irgendwie eingezogen und muss dann da im Endkampf kämpfen und hat dann ja nur diese Biddyzeit, bevor er dann wieder verhaftet wird.

00:13:52: Also er hat sein Leben ja noch gar nicht gelebt.

00:13:56: Das ist ja nicht mal mit uns vergleichbar, wenn wir jetzt so, okay, jetzt haben wir aber wenigstens schon was irgendwie gemacht.

00:14:03: Aber das hat er ja noch gar nicht, hat noch gar nicht die Chance dazu bekommen.

00:14:06: Und das finde ich krass.

00:14:08: Also dieses, okay, bis ich jetzt über vierzig bin, sitze ich einfach mal im Gefängnis und hab eigentlich noch nichts gemacht.

00:14:16: Ja, also es wurde ja immer nur, also sein Leben wurde bis dahin ja irgendwie immer nur so fremdbestimmt.

00:14:22: Also, seine Eltern waren ja da ziemlich coolant und die haben den eigentlich auch immer unterstützt so.

00:14:27: Aber das System hat den halt dann unterdrückt und das fand ich halt auch irgendwie krass so.

00:14:32: Auf jeden Fall.

00:14:33: Und was ich auch noch erwähnen wollte, wo wir jetzt gerade bei seinen Eltern und bevor wir jetzt halt in das alles, was danach passiert ist, gehen, wollte ich nochmal über das, was da vorwahrs sprechen.

00:14:43: Also, diese Story mit dem, also die ersten Berührungspunkte mit dem Antisemitismus.

00:14:49: Das fand ich auch krass.

00:14:51: Also das hat man ja sonst eigentlich nicht so, dass Menschen, die eigentlich gar nicht zu dieser Opfergruppe gehören, so eine Erfahrung machen damit.

00:14:59: Also dieses Sein Vater war ja irgendwie Versicherungsagent und hat diese Plakate halt gestaltet.

00:15:07: Und nur weil dieser Name mit der jüdischen Bevölkerungsgruppe irgendwie Verbindung gebracht wird, Wird das jetzt irgendwie, wird da randaliert oder wird das

00:15:17: gemoliert?

00:15:18: Ja, auch das mit diesen

00:15:19: Judennasen.

00:15:20: Ja, das meine ich genau.

00:15:22: Das ist ja auch völlig, also er hat da ja so ein bisschen einen Einblick bekommen.

00:15:28: Also wir wollen ja jetzt hier nichts relativieren oder so, aber dass man da so diesen puren Hass einfach merkt oder Jorgen Stern in dem Fall halt gemerkt hat, das finde ich auch...

00:15:41: Krass.

00:15:41: Wäre ich gar nicht relativieren, sondern eher vergleichen.

00:15:44: Oh,

00:15:44: ja, genau.

00:15:44: Wir wollen nicht vergleichen, dass jetzt irgendwie Jochen Stern das erlebt hat, wie das jetzt war, als Jude in Deutschland zu leben.

00:15:54: Aber das finde ich halt krass, weil man das sonst nicht so hört.

00:15:57: Dass irgendwie Deutsche das auch mal so erfahren haben.

00:16:01: Ja.

00:16:02: Also, krass auf jeden Fall.

00:16:03: Das, was ich auch bemerkenswert in der Lebensgeschichte fand, war, dass man diese Ausbildung zum Lehrer, also ... Einfach acht Monate, das ist ja im Vergleich zu heute, weiß nicht, wie viele Jahre, vier, vier, fünf vielleicht.

00:16:19: Ist ja völlig verrückt so.

00:16:20: Also stell dir mal vor, du gehst noch nicht mal ja in die Schule und kannst dann einfach unterrichten.

00:16:25: Ja, es war ja da, also der Grund dafür war ja diese Not am Mann.

00:16:29: Aber es ist natürlich krass und da finde ich auch krass, dass ihm dann gesagt wird, okay, du darfst jetzt aber auch kein Geschichte unterrichten, weil ... Du gehörst ja keiner sozialistischen Partei an.

00:16:40: Ja.

00:16:41: Was ich auch, das zeigt dir einfach, es geht von der einen Diktaturneester.

00:16:45: Er hat ja auch erzählt, während er diese Ausbildung gemacht hat, dass da auch, da kannte er ja schon ein paar von der Hitler-Jugend-Bunddeutscher-Mädel.

00:16:53: Und da frage ich mich, da weiß ich jetzt auch kein Anfraub, aber das frage ich mich, wenn die dann in den sozialistischen Parteien getreten sind, dürften die dann Geschichte unterrichten?

00:17:02: Wahrscheinlich.

00:17:03: Wahrscheinlich schon.

00:17:04: Das ist doch völlig verrückt.

00:17:06: Das hat dann im Endeffekt auch gar nicht mehr gejuckt irgendwie, oder?

00:17:08: Also Hauptsache, du gehst dann in die Partei so, aber was du davor gemacht hast, irgendwie alles fein so.

00:17:16: Ja, das war ja auch mit der Partei sein Lehrer, hat ihm ja geraten, sich einer Partei anzuschließen, weil... Okay, du bist jetzt Lehrer, du musst ja auch ein paar politische Werte vertreten.

00:17:27: Da hatte er sich aber auch eigentlich, hatte er gedacht, ja gut, da gucke ich mich mal um.

00:17:31: Hatte überall mal reingeguckt und hat sich dann für die LDP entschieden.

00:17:35: Ohne irgendwie mit groß Hintergedanken.

00:17:38: Und das hat ja sein Lehrer auch total geschockt.

00:17:40: So viel spinnste, dass du nicht zuerst in die Gegang bist.

00:17:44: Ja, also das finde ich auch krass.

00:17:47: Wo wir jetzt hier gerade schon bei der Vergangenheit seiner ... Ja, mit Auszubildenden seiner Freundin war das ja jetzt auch ein Thema, worüber wir uns unterhalten haben.

00:18:00: Ja, man muss ja auch sagen, dass Jochen Stern jetzt in Anführungszeichen nur an der Front war und in Berlin gekämpft hat, jetzt nicht in der SS war oder so.

00:18:12: Und da stellt sich halt dann immer die Frage nach, wer war eigentlich Täter und wer war Opfer?

00:18:17: Also man muss ja sagen... Jochen Stern war kein überzeugter Nazi, aber es sind natürlich auch überzeugte Nazis.

00:18:24: Der größte Teil überzeugter Nazis ist eben in die Speziallage gekommen und hat da trotzdem dieses unendliche Leid erfahren.

00:18:32: Ja, und trotzdem hat auch Jochen Stern für das Nazi-Regime gekämpft.

00:18:36: Das ist ja noch mal ein ganz anderes Thema, was man jetzt ja aufbrechen kann.

00:18:40: Aber natürlich saßen da auch in diesen Spezialagern Leute, die wirklich Kriegsverbrecher waren.

00:18:47: Und damit wollen wir das natürlich überhaupt nicht relativieren oder sagen, deswegen ist es jetzt nicht so schlimm, weil da haben nur Nazis eingesessen.

00:18:55: Also das jetzt nicht.

00:18:57: Es ist einfach diese drei Zeiten, also die des Nationalsozialismus, der sowieso jetzt schon Besatzungszeit und der DDR, die kann man einfach nicht gleichsetzen.

00:19:05: Also man kann sie vergleichen.

00:19:06: Das auf jeden Fall, glaube ich, muss man ja auch, weil man gewisse historische Zusammenhänge verstehen will.

00:19:12: Aber

00:19:13: man kann sie auf gar keinen Fall gleichsetzen.

00:19:15: Ich glaub, das ist einfach noch mal wichtig zu erwähnen und zu sagen.

00:19:19: Genau.

00:19:20: Was bei Jochen Stern in der Haftzeit ja ... Also, das ist krass, dass er das mitbekommen hat, weil das war halt einmalig in dieser Zeit.

00:19:31: Der Heftlingsaufstand.

00:19:32: Da hatten wir jetzt auch vor Kurzem erst das ... ... seventy-fünfjährige Gedenken an diesen Heftlingenaufstand.

00:19:40: Heftlingsaufstand.

00:19:42: Und ja, also man muss ja sagen, dass dieser Häftlingsaufstand ja auch eine gewisse Vorgeschichte hat.

00:19:48: Also die Gefängnisführung ging ja von der Sowjetischen in die deutsche Führung über.

00:19:55: Und da haben natürlich alle Häftlinge erst mal gedacht, jetzt wird's besser, wir bekommen bessere Haftbedingungen, mehr essen.

00:20:02: So war es ja gar nicht, es wurde ja sogar noch schlechter.

00:20:04: Was halt aber auch daran lag, dass die Deutschen gar nicht damit so gerechnet haben, dass da so viele Häftlinge mit drin waren.

00:20:11: Es waren ja wirklich deutlich mehr als damit gerechnet wurde und das kann man ja einfach gar nicht anstemmen.

00:20:19: Es hat ja dann so glaube ich zwei Wochen davor schon so angefangen oder Anzeichen gegeben, die haben schon, manche haben schon drauf verzichtet, haben es aber nicht so lange durchgehalten oder konnten nicht durchhalten so.

00:20:33: Und dann haben die sich eben drauf vorbereitet und dann eben war es am ein dreißigsten März dann eben der Ausbruch quasi, wo es dann so richtig losging und wo dann so richtig viele mitgemacht haben.

00:20:45: Ja, und wo es dann auch niedergeschlagen wurde.

00:20:47: Ja, eben das muss man auch sagen.

00:20:48: Das

00:20:49: war so der Höhepunkt.

00:20:50: Häftlingsaufstand.

00:20:52: Häftlingsaufstands.

00:20:56: Also ich glaube, die Brutalität, die da auch war, gerade als dann die Volkspolizei eingeschaltet wurde und die dann eben den Heftlingsaufstand zerschlagen haben, kann man sich auch gar nicht vorstellen.

00:21:07: Also das, was ja auch Jochen Stern so erzählt hat, das war ja so brutal.

00:21:11: Oder das mit dem Schäferhund, der dann auch völlig krank irgendwie.

00:21:17: vielleicht noch mal einfach so zu seiner Person.

00:21:19: Also, was mir Jochen Stern so wirklich sympathisch gemacht hat, so aus seiner Biografie heraus.

00:21:25: Er kann nämlich russisch oder konnte damals richtig gut russisch.

00:21:30: Und hat das aber in seiner Zeit auch in Potsdam, wie auch dann in Bautzen, verschwiegen, dass er quasi den russischen Soldaten zuhören konnte, dann verstanden hat, was die sagen und ... dass dann so für sich benutzen konnte.

00:21:46: Und das fand ich einfach so smart, wie er es gemacht hat.

00:21:48: Also...

00:21:49: Ich weiß nicht, wie ich... Hätte ich das gekonnt?

00:21:52: Also ich kann natürlich nicht sagen, wie ich ihn sehr... Aber wäre gut gewesen, sehr schlau gewesen, das so zu machen.

00:21:59: Das war ja auch, also er hat das halt dann so zu seinem Vorteil genutzt.

00:22:02: Und ja, und das fand ich irgendwie... Krass cool, dass er einfach so dann immer noch in dieser Zwangslage, wo du eigentlich jeden Vorteil ausnutzen willst, den du so hast, dass er dann noch dran gedacht hat, ja, vielleicht rede ich dann nicht mit Russisch auf denen, damit die mich einfach mögen, sondern ich nehme das dann so eben zu meinem Vorteil und höre dann eben den einfach so zu.

00:22:22: Ja, auf jeden Fall.

00:22:24: Wollen wir jetzt hier gerade schon von seiner Person an sich sprechen?

00:22:28: Da kann man ja dann auch noch ganz, ganz viel darüber erzählen, wenn wir jetzt nur über einen Ausschnitt seines Lebens, die dunkle Zeit seines Lebens gesprochen, da kam er aber dann noch ganz, ganz viel danach.

00:22:39: Ja,

00:22:42: man muss ja einfach sagen, er war nicht alt, als er dann aus dem Gefängnis rauskam, sondern er hatte dann eigentlich quasi noch sein ganzes Leben vor sich.

00:22:49: und ja.

00:22:51: als dann eben mit dem Schauspiel so richtig durchgestartet.

00:22:54: Ja,

00:22:54: also wenn man so ein bisschen deutsches Fernsehen guckt, dann hat man ihn bestimmt auch schon mal gesehen.

00:23:02: Also in den Tatortensonntags hat er oft schon mal mitgespielt oder bei Paas Steffka oder Ratze Schröder.

00:23:10: Also wenn man da mal eine Früh geguckt hat, dann hat man ihn vielleicht mal gesehen.

00:23:12: Hat jetzt keine riesen Haupträume gehabt.

00:23:14: Ja.

00:23:15: Aber man hat ihn immer mal irgendwie in so einer...

00:23:16: Ja, zum Beispiel auch wie dem Film, den ich dir mitgebracht hat.

00:23:21: Ja, gut bei Lenin.

00:23:22: Da fahre ich seine... Also ich fand, wie er es gespielt hat, einfach krass.

00:23:25: Also ich fand es einfach cool.

00:23:27: Und die Rolle, die er hatte... Die fand ich auch wirklich gut.

00:23:31: Ich werde jetzt nicht hier vorwegnehmen.

00:23:32: Guck durch den Film gerne an.

00:23:34: Aber ja, es ist wirklich cool, wie er das spielt.

00:23:37: Ja.

00:23:38: Und dann muss er auch einfach sagen, seine Leidenschaft ist ja eher auch im Theater.

00:23:43: Und da hat er dann auch wirklich coole Rollen und große Rollen auch, glaube ich, gehabt.

00:23:48: Genau.

00:23:49: Ja.

00:23:50: Ja, und eigentlich abschließend, vielleicht nochmal ganz kurz was zu seiner Person, wirklich ein sehr beeindruckender Toller.

00:23:58: Einzigartig einfach, würde ich sagen.

00:24:00: Ja,

00:24:00: auf jeden Fall.

00:24:01: Also, so jemanden trifft man nicht zweimal.

00:24:04: Trotz seiner kleinen Körpergröße, so ein ganz einnehmendes...

00:24:07: Einzig, zweizig groß und er hat eine Stimme, womit er einen ganzen Raum nimmt.

00:24:12: Das ist schon krass irgendwie.

00:24:14: Also, es kommt natürlich auch aus dem Theater so, aber das ist einfach, ich weiß nicht so, seine Person an sich.

00:24:20: Einfach.

00:24:20: Sehr, sehr spannende Geschichte.

00:24:22: Ja.

00:24:22: Also, könnte man jetzt auch bestimmt noch ganz viel anderes erzählen.

00:24:25: Auf

00:24:25: jeden Fall.

00:24:26: Aber das war so... Ja, unsere Zusammenfassung von Jochen Stern und Jochne Spezialager.

00:24:33: Und ja, hoffentlich konnten wir einen guten Einblick geben.

00:24:37: Ja, ich hoffe, ich habe die Folge gefallen.

00:24:39: Hört euch gerne die andere Folge schon davor an, falls ihr es noch nicht gemacht habt.

00:24:44: Und dann hören wir uns beim nächsten Mal.

00:24:46: Bis dann.

00:24:47: Tschüss.

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